Weitere Räume zeigen unter anderem Karaoke und Instagram-Reels, die Möglichkeit sich selbst in eine Cloud zur Unsterblichkeit hochzuladen, die eigenen Kinder auf die Suche nach einem anderen Planeten zu schicken.
„Immersiv“ wird hierbei ernst genommen: Das Publikum hat eine fast vollkommende Bewegungsfreiheit und interagiert mit den Schauspieler:innen in einer Weise, das zeitweise unklar ist und vergessen werden kann, wer spielt und wer zuschaut.
Die vielen freizugänglichen Räume erinnern an die Zerbrochenheit einer zerfallenden Welt selbst. Jeder Raum als Fragment. Nur zum Ende des Stücks kommt das ganze Publikum wieder zusammen, das Fragmentarische geht verloren, denn alle werden nun das gleiche Schicksal erfahren: den Weltuntergang. Die Zuschauer:innen werden in einen musikdurchströmten Raum geführt werden. Eine kurze Techno-Party entbrennt. Das Publikum tanzt geeint in der Vereinzelung des alleinigen Tanzes zur gleichen Musik. Gefolgt von einer letzten Ansprache des Überbringers des Unterganges, in welcher erklärt wird, dass es unerheblich ist, wie diese verbleibende Zeit verbracht wurde, denn das Ende ist für alle gleich.
Es gibt keinen Knall, keine Überraschung. Die Welt endet unspektakulär, kühl, berechenbar und mit ihr auch die Aufführung. Der erwartete Höhepunkt des Stücks ist zugleich ihr unspektakuläres Ende. Das erscheint als ein trockener Kommentar auf das Groteske und die Gleichgültigkeit der Apokalypse gegenüber den Menschen und ihrem Bedürfnis nach einem beeindruckenden Abschluss.
In einem Stück, welches durch seine immersive Natur die Zuschauer:innen aus ihrer passiven Situiertheit herausholen möchte, sie aktiv in das Geschehen einzubinden versucht, ist es gerade überraschend, eine pessimistische Erzählung vorzufinden, welches das Publikum nicht als politische Subjekte, sondern Objekte, gar Opfer des weltlichen Geschehens in die Welt setzt. Als Objekte des Konsums, des Faschismus, der Technologie, des Feierns und anderer Formen des hoffnungslosen Wartens.
Diese Darstellung einer Dystopie ist eine Zustandsbeschreibung gegenwärtiger Wahrnehmungen und darin ausgesprochen gut. Was das Stück jedoch nicht versucht ist über diese pessimistische Wahrnehmung hinaus zu gehen und ein Ende zu wagen, welches das Publikum wieder zu Subjekten erhebt. Es ist eine Absage an den bloßen Versuch einer Utopie.
Clara Pretterebner (studentka slovanských jazyků a literatury se zaměřením na češtinu v Berlíně, v Brně aktuálně na zahraniční stáži)
Divadlo Letí, Praha a Divadelní svět Brno – Poslední zhasne. Autorstvo Antonie Rašilovová, Daniela Samsonová, Lenka Rollová, Ondřej Kulhavý, Štěpán Vranešic, Tomáš Ráliš, režie Ctibor Němec, Emma Žežulová, Jan Froněk, dramaturg David Košťák, výprava Ester Hradilová, Jolana Šmejcová, Kristina Komárková. Psáno z uvedení v rámci Divadelního světa Brno 19. 5. 2025.
1 Das Ende der Welt kann Tausend Formen besitzen.
2 Der letzte macht das Licht aus.
3 Eine immersive Inszenierung geschrieben und produziert von der jüngsten Theatergeneration, welche sich von alarmistisch Schreien lossagte zu Gunsten der Suche nach Möglichkeiten des Überlebens.
4 Wären sie zufrieden im Falle, dass im Projekt Erde02 eine Diktatur errichtet wird?
Wären sie zufrieden im Falle, dass im Projekt Erde02 eine Diktatur errichtet wird?